Technik #34

Cold Calls

Die Technik des “Cold Calls” wird von Doug Lemov als die wichtigste seiner 63 Techniken angesehen, weil sie bewirkt, dass alle Schüler im Unterricht mitdenken und mitreden – nicht nur die üblichen “Schatzis” in den vorderen Rängen. Cold Calls bedeutet in manchen Phasen des Unterrichts, Schüler aufzurufen, unabhängig davon, ob sie ihre Hände gehoben haben.

Ein Beispiel: Eine Lehrerin möchte ein Unterrichtsgespräch starten und stellt eine Frage. “Welche Orte in Wien gefallen euch besonders gut?” Sofort zeigen Anna, Kaya und Thomek auf. Sie zeigen eigentlich immer auf und gewöhnlich nimmt sie die Lehrerin auch dran. Einmal Anna, einmal Kaya und einmal Thomek und dann wieder von vorne. So findet das Unterrichtsgespräch 10 Minuten lang nur zwischen vier Personen statt, denn bald haben fast alle anderen Schüler abgeschaltet und sind kognitiv nicht mehr bei der Sache. Sie genießen es, aus dem Fenster zu schauen und die Frühlingsblumen zu betrachten oder an den gestrigen Ausflug zu denken. Die Gebäude der Wiener Innenstadt kommen in ihrem Gedanken jedenfalls nicht mehr vor.

Es gibt wenige Techniken, die eine Lernumgebung schneller verbessern können als Cold Calls. Da sie eine so kraftvolle Technik darstellt, ist es wichtig, dass sie richtig angewendet wird. Glücklicherweise, wenn ein paar Dinge beachtet werden, helfen dir Cold Calls sehr wahrscheinlich stark dabei, ein inklusives, fokussiertes und wahrlich fröhliches Klassenzimmer aufzubauen.

– Doug Lemov

Millionen von Stunden in Schulen auf der ganzen Welt laufen täglich ähnlich ab. Dabei wird großes “Denkpotential” verschleudert. Wenn du die Methode des Cold Calls anwendest, dann stellst du auch die Frage: “Was sind für euch die schönsten Gebäude in der Wiener Innenstadt?” Die Schüler können dann zur Vorbereitung kurz mit der Technik 43 “Turn and Talk” eine Minute über die Frage reden oder sich mit “Alle Schreiben” auf das nachfolgende Unterrichtsgespräch vorbereiten. In diesem aber werden die Kinder dann Kinder drangenommen, unabhängig davon, ob sie aufzeigen oder nicht. Man kann ergänzen: “Hände können unten bleiben, wir machen jetzt Cold Calls”. Die Technik, die niemals als eine Art “Strafe” für jene, die nicht aufmerksam sind, angewendet werden darf, müsste natürlich im Vorfeld eingeführt und geübt werden. In der Ausübung der Technik fragt die Lehrperson einfach in die Klasse hinein: “Maximilian, was sind deine Gedanken dazu?”, “Clara, stimmst du mit Maximilian überein?”, “Welche sind deine Lieblingsplätze, Ivan?” etc.

Der Vorteil von Cold Calls ist, dass alle Kinder mitdenken und der Diskussion folgen – sie könnten ja drangenommen werden und möchten dann schon etwas zu sagen haben. Statt den dreien in der ersten Reihe denken nun plötzlich 25 Kinder mit und du hast mit dieser einfachen Technik die in den Gehirnen ablaufenden Denkprozesse mit einem Schlag mehr als verachtfacht. Das macht Cold Calls sehr wirksam und kraftvoll.

Wichtig ist, dass Cold Calls vorhersehbar und positiv sind, dass sie alle Schüler erreichen und als eine Chance zu glänzen positioniert werden.
Insbesondere für lernschwache Schüler, die eher zurückhaltend sind und sich kaum selbst in den Unterricht einbringen, ist die Technik sehr hilfreich. Sie sollte bei solchen Kindern sanft und mit anfangs eher leichten Fragen angewendet werden Cold Calls hilft diesen Kindern, ihre Ängste zu überwinden, da sie aus ihrer Komfortzone herausgeholt werden und dann nach und nach zu entdecken, dass doch sehr viel in ihnen steckt.